Die Kubanische Gesellschaft: Unser kleiner Einblick
Das war also Kuba, die erste Etappe unserer Reise. Was können wir nun aber nach 3 Wochen auf der größten karibischen Insel über das Leben dort erzählen? Ist es wahr, dass ein kommunistisches Regime die Menschen dort unterdrückt und ausblutet, während Tourist:innen nur auf vorgefertigten Pfaden durch den Urlaub geleitet werden? Nachdem wir einen winzigen Einblick in die dortige Gesellschaft gewinnen konnten, wollen wir nun unseren Blick auf die Dinge hier schildern, da nicht darüber schreiben eine Enthaltung gliche, die in unseren Augen den Menschen dort nicht gerecht gegenüber wäre.
Die brennendste Angelegenheit ist natürlich die der ökonomischen Situation des Landes. Diese ist – so lässt sich schnell erkennen – sehr schlecht. Es mangelt nicht nur an Dingen des täglichen Bedarfes, wie T-Shirts oder Schmerzmitteln, sondern auch an Geräten, die in Mitteleuropa für den Erhalt unserer Gesellschaft unerlässlich geworden sind. Bekanntestes Beispiel ist natürlich das der Autos, von denen es mittlerweile jedoch auch sehr viele moderne gibt (und auch in Mexiko haben wir bereits Trucks gesehen, die die Oldtimerstatus hatten). Gravierender für das Land ist zum Beispiel der Mangel an Traktoren: In Viñales, durch seinen Tabakkonsum wichtiger Devisenbringer des Landes, gibt es, entsprechend einem der lokalen Bauern, einen einzigen Traktor (auf den Straßen haben wir 4 gezählt, was aber trotzdem bei weitem nicht genug ist, um den Leuten das Pflügen mittels Ochsengespanns zu ersparen.) Auch der Fischfang auf dem offenen Meer wurde mangels Kuttern, und Ersatzteilen für diese, eingestellt, was die Nahrungsmittelknappheit weiter verstärkt. Dafür das ökonomische System des Landes verantwortlich zu machen, greift zu kurz. Vielmehr rühren die Probleme aus einer Kombination von 2 Faktoren: Zum Einen befindet sich Kuba unter einem Embargo des nächsten Nachbarn, der zugleich die größte ökonomische Macht der Region ist. Dieser verbietet den einheimischen Firmen nicht nur den Handel mit dem Land, sondern seinen Einwohnern auch touristische Besuche. Der Effekt dieser Maßnahmen ist kaum zu überschätzen, und wäre wahrscheinlich einen eigenen Blogpost wert. Der andere Faktor ist, dass Kuba beinahe keine Vorkommnisse von Bodenschätzen hat, und die wenigen, die es gibt, aus Mangel an entsprechender Infrastruktur nicht abbauen kann. Keine Erze, keine Schwerindustrie, keine Schwerindustrie (oder Devisen) keine Traktoren,... Kuba befindet sich damit in einer Lage, aus der es aus eigener Kraft eigentlich nicht ausbrechen kann. Tourismus aus dem Ausland ist damit seit dem Fall der Sowjetunion ein enorm wichtiger Faktor geworden, um zumindest einige wenige Zukäufe aus dem Ausland zu finanzieren, und diese Ausrichtung ist im ganzen Land bemerkbar. Eine Öffnung der Insel für ausländische Firmen und Banken könnte hier natürlich eine gewisse Abhilfe schaffen. Aber wem würden am Ende des Tages die erschlossenen Minen, und ihre Ressourcen, wem würden die Hypotheken gehören, mit denen Kubaner:innen ihr neues Leben finanzieren? Eine Beantwortung dieser Frage findet sich in “Neokolonialismus: Die letzte Stufe des Imperialismus“ von Kwame Nkrumah, aber kurz gesagt, würde Rio Tinto seine Gewinne nicht aus Gutherzigkeit an das kubanische Volk verteilen. Durch seine Öffnung könnte das Land also ein besseres Leben für einen Teil seiner Einwohnenden ermöglichen, würde aber gleichzeitig einen größeren der Obdachlosigkeit und dem Hunger preisgeben, und damit seinen Platz als das sicherste lateinamerikanische Land opfern. Weil das ist uns in Kuba auch aufgefallen: So sicher wie dort haben wir uns sonst selten gefühlt. Man muss sich als Tourist keine Sorgen machen, dass man am abendlichen Heimweg blöd angeredet oder gar ausgeraubt wird, und diesen Eindruck hatten wir nicht nur wir, sondern eigentlich alle Urlaubenden und Einwohnenden. Es lässt sich annehmen, dass (relativ) garantiertes Wohnen, eine Grundversorgung mit Nahrungsmittel, und eine sichere Anstellung, so langweilig sie auch sein mag, dazu führt, dass Leute die Risiken eines Lebens in der Illegalität ausreichend scheuen. Natürlich wird man auf der Straße oft angeplaudert von Leuten, die nach einem kurzen Gespräch nach Geld fragen, oder einen in eine Touristenfalle führen wolle („La Familia“ in Havanna unbedingt meiden, die Tripadvisor Kommentare bieten aber eine gute Abendunterhaltung), aber wenn man sich diesem Entzieht, wird einem nie mit Aggression begegnet.
Verbunden damit, wie so alles, ist natürlich die Frage nach der politischen Ausrichtung der kubanischen Bevölkerung. Dazu muss man feststellen, dass die in Kuba erhältlichen Medien alle staatlich, oder staatsnahe, und ideologisiert sind. Es ist aber klar, dass speziell mit der Etablierung des Internets, welches Stufenweise seit 2007, in der breiten Bevölkerung aber erst 2018 auf der Insel angekommen ist (auch beeinflusst durch das Embargo), diese Kontrolle bedeutend an Wirkung verloren hat. Die Bevölkerung an sich äußert seine Meinung über die bestehenden Verhältnisse sehr unverblümt, zumindest Tourist:innen gegenüber, und verbunden mit dem Bekannten „Bruder der Schwägerin“ kommt es dabei zu Geschichten, die teilweise auf einem ähnlichen Level wie die berühmten Gratisiphones für Geflohene kursieren. So hörten wir zum Beispiel, dass es allen Kubaner:innen untersagt ist, auf ein Boot zu steigen (dies gilt nur für Tourismusboote) und dass der monatliche Lohn nur 10 Pesos beträgt (Die 2500, die es für die geringstbezahlten Jobs gibt, sind auch nicht viel, können aber immerhin das monatliche Auskommen leidig finanzieren). Zum Todestags Che Guevaras waren wir bei einer Veranstaltung der „Pequeños Pioneros“, der kubanischen Version der Pfadfinder:innen, bzw der Jungpionier:innen der DDR, und hier ließ sich doch eine größere ideologische Prägung als bei der Gruppe 39 feststellen, der Tag der Aufnahme in die Vereinigung fiel nicht zufällig auf dieses Datum. Andererseits barg die Predigt, die der Pfarrer in Varadero zu der Lesung, bzgl des ersten Gebotes, und des Evangeliums, „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist, Gott was Gottes ist“, mehr politischen Zündstoff, als ich bei sehr vielen Analysen in Messen in Österreich gehört habe. Abschließend lässt sich also sagen, dass der Staat zwar sehr starken ideologischen Einfluss nimmt, die Bevölkerung in großen Teilen aber unpolitisch zu sein scheint, und auch eine „StaSi“-Vernaderungskultur konnten wir nicht feststellen.
Letztlich, bezüglich der Frage nach vorgefertigten Touri-Trips, ist unser Eindruck auch hier ambivalent. Auf der einen Seite ist es kein Problem, zu irgendeinem Teil der Insel zu kommen (und dort zu wohnen), der auch für normalsterbliche Kubaner:innen erreichbar ist, andererseits lässt sich nicht leugnen dass gerade Varadero, Tourismusdestination #2 der Insel, und bereits seit den 50ern beliebter Urlaubsort, besonders herausgeputzt ist. Hier gab es keinen einzigen Stromausfall, reichlich Einkaufsgelegenheiten, und die Straßen wurden sauber gehalten. Trinidad, Anlaufstelle #3, und erst zu Beginn der Neunziger erschlossen, bietet hier ein nahezu konträres Bild mit regelmäßigen, anhaltenden „Cortos“, Müll auf den Gehwegen, und weniger staatlichen Geschäften (die die größte Auswahl beherbergen). Luxusware wie Cohiba-Zigarren und Santiago-Rum ist eigentlich nur für Touristen leistbar, da diese Artikel mehrere durchschnittliche Monatsgehälter kosten, für die Einwohnenden gibt es (sehr) günstige Pedants geringerer Qualität.
Dies ist nun unsere Bescheidene Meinung zu den Verhältnissen auf Kuba, die für Lesende vielleicht einen winzigen Puzzlestein in ihrem Blick auf die Insel darstellen kann, abschließend muss man aber natürlich sagen: „Ce n'est pas Cuba“.