Santa Clara, das Wiener Neustadt Kubas
Nachdem wir während unserer Führung über den Festungsberg Kubas die wahrscheinlich (hoffentlich) teuersten Colas unserer Reise getrunken haben, waren wir endgültig bereit dafür, die ländliche Seite Kubas kennen zu lernen.
Aus Havanna heraus zu kommen ist eine etwas aufwändigere Operation, bei der man zuerst von einem herkömmlichen Taxi zu einem Sammelplatz gebracht wird, welches einen dann an ein Langstreckentaxi weiterverkauft, das einen dann so alles gut geht ans Ziel bringt. Die Autobahn Kubas war sehr leer, in einem besseren Zustand als befürchtet und nur die regelmäßigen Pferdegespanne, Anhalter:innen und Geisterradfahrenden hätten europäische Lenker:innen nervös gemacht.
Wir kamen um die Mittagszeit an, und nutzten den verbliebenen Tag um unsere Weiterfahrt zu organisieren (am Land einfacher, da die Interregionalbusse näher ans Stadtzentrum kommen), einen Blick auf das Ché Denkmal zu werfen (die Wache wusste, dass es morgen eine Festivität gäbe, aber nicht, ob um 7, 8 oder 9 in der Früh), und einen Seniorenmusikabend im angesagtesten LGBTQI+ Klub Zentralkubas beizuwohnen. Den Abend ließen wir in einer Harry-Potter Bar ausklingen, deren Unisex Toiletten einen Kontrast zu der politischen Gesinnung der Autorin darstellt, der zum Nachdenken anregt.
Am 08. standen wir früh auf, um der Zeremonie anlässlich Ché Guevaras Todestag beizuwohnen, mussten dann aber leider feststellen, dass wir diese um mindestens eine Stunde verpasst hatten. Unverzagt begaben wir uns nach einem low carb Frühstück zu dem Museum an der Stelle, an der eine Revolutionstruppe von nur 14 Mann den gepanzerten Zug Batistas stoppten und zur Aufgabe zwangen und so das Schicksal der Diktatur besiegelten. Durch diese Heldentat angespornt begaben wir uns direkt zur nächsten Sehenswürdigkeit, einen vermeintlichen kleinen Hügel, von dem man die Stadt überblicken konnte. Die darauf folgenden zwei Stunden, bis wir wieder in unserer Unterkunft waren, lehrten uns aber schmerzlich, wieso die Gedenkveranstaltung an einem Sonntag um 08:00 anberaumt war: Zu Mittag ist es außerhalb der Stadt, in der einem die Gebäude etwas Schatten spenden, im Freien praktisch nicht aushaltbar, und unter keinen Umständen sollte „ein Hügel von eh nur 140 Höhenmetern“ mitgenommen werden. Nachdem wir uns von dieser Lektion erholt hatten, mussten wir aber direkt die nächste Überraschung verarbeiten: Mit dem Besuch dieses Hügels hatten wir praktisch alle Sehenswürdigkeiten der Stadt abgehakt. Rooftopbar? Geschlossen. Freibäder? Ausgeleert. Um die Stadt? Industriegebiet
Das ist auch der Grund dafür, dass dieser Blogeintrag so ausführlich ist: Zum ersten Mal seit Beginn unserer Reise (Zugegebenermaßen nur eine Woche her) können wir die Seele baumeln lassen (Eine Lektion daraus: In Cafés darf erst ab 16:00 Alkohol ausgeschenkt werden). So nutzen wir die Zeit zum reflektieren, Karten spielen und lesen und freuen uns schon auf den ersten Kontakt mit der Natur und dem Meer in Trinidad, welches wir heute Nacht erreichen werden.
(Ein kleines Highlight gab es noch: heute um 08:00 wohnten wir der Gedenkveranstaltung der Schüler:innen von Santa Clara bei, die wohl einen eigenen Bericht wert wäre)